Erst kürzlich unterhielt ich mich auf einem Gig mit einem Gitarristen über seine Yamaha Strat. Diese hatte einige schwere "Schürfwunden" und er erzählte mir mit Stolz, dass er der Gitarre diese Schürfwunden selbst beigebracht hätte. "Ich bin doch nicht blöd und zahle dafür, dass da bei Fender einer Macken reinhaut, das kann ich selbst auch". Ich habe das dann unkommentiert gelassen, nichts desto trotz grübelte ich darüber, ob er das Konzept "RELIC" wirklich verstanden hatte. Wie ich feststellte gehörte auch er zum Großteil Leute, die das Prinzip "RELIC" für ein Make-Up der Gitarre, eine äußerliches auf Alt Trimmen halten, aber damit täte man den Genialen Initiatoren dieser Bewegung viel Unrecht. Achtung, mir geht es hier nicht darum, ob eine Gitarre natürliche Narben erhalten sollte, RELIC-en uncool ist usw. mir geht es hier nur um die Idee die dahinter steht. Zu Beginn des Jahres 2000 hatte ich einige Gelegenheit die Factories der Großen Hersteller zu besuchen, unter anderem Schulungen mit zu machen. Zunächst hielt auch ich das RELIC-en für ein "da kloppt einer gekonnt Macken in die Klampfe", aber dem war nicht so, zumindest war das nur die anfängliche Grundidee. Die klugen Köpfe bei Fender und auch bei Gibson dachten aber weiter, viel weiter. Ihnen ging es darum die Struktur eines gealterten Klangholzes nach zu ahmen und dafür wurde erstmal ein Batzen Dollars investiert in Forschung und Technik. Man kauft also nicht nur eine Gitarre mit den "authentischen" Looks sondern man erkauft auch einen gewaltigen Zeitvorsprung! Und wie man sich denken kann, ist es nicht gerade kostengünstig gut klingende ökologisch einwandfrei angebaute Hölzer zu erwerben, diese zu Lagern, zu behandeln, hand zu verlesen und zu "altern". Ja genau, diese Hölzer für die man teuer Geld zahlt bei einer Relic egal ob von Fender oder Gibson, sind "junge Greise"! In Druckkammern wird das Holz für Body und Hälse erstmal bis zu einem Jahr "eingebrochen", um das wohlbekannte Broken In Feel zu erhalten, wobei die Harzverbindungen im Holz durch zusätzliche Bestrahlung mit Ultrastrahlen aufgebrochen werden und somit viel mehr Schwung und Resonanzfähigkeit entsteht. Ein Prozess der sonst Jahre dauert. Im Schnitt 10-12 Jahre bei einer viel gespielten Gitarre. Bei den Relics geht es aber so weit, dass es klingt wie 30 Jahre alt. Ist schon ne Menge, nicht wahr? Und ein Jahr Lagerungskosten und Bestrahlung....wer schon mal ein kaputtes Knie hatte und weiß was ein paar Bestrahlungen die Krankenkasse kosten, der kann mal gerne hochrechnen
Man sieht also, dass hinter dem Prinzip Relic und Aged mehr steckt und dass man nicht einfach ein paar Kratzer in seine Gitarre machen kann und sie dann qualititativ gleich zu setzen ist mit einer echten RELIC. Bei Fender heißt diese Serie auch nicht umsonst TIME MACHINE Serie, so ein bisschen Science Fiction steckt da schon drin. Wer mal eine tolle Fender Relic oder Gibson Murphy Aged in der Hand hatte, der weiß dieses Verfahren zu genießen und zu schätzen und das mal ab von allen Vorurteilen und all dem voreingenommenen Kommentaren von Leuten, die im Leben noch keine dieser Gitarren gespielt haben. Die Fender Road Worn Serie zähle ich übrigens nicht zu den Science Ficton Kandidaten, da es sich hierbei allem Anschein nach um Make-Up handelt und die Hölzer nicht gealtert sind. Nun noch mal zurück zu dem Kollegen vom Gig - ich hatte Null bock jetzt einen auf "ich weiß da aber was" zu machen und habe die Goschen gehalten und obwohl die Kratzer in seiner Gitarre nur FAKE waren, hat er einen Hammergig hingelegt. Der Glaube macht es halt manchmal
Das Verfahren RELIC ist nicht das Non Plus Ultra, da es genug Gitarrenbauer gibt die auch ohne Alterungsprozess gute Hölzer verarbeiten...kostet aber dann aber auch immer noch ein paar Taler mehr, genau wie bei den Relics, wie wir wissen
